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Rockpalast

40 Jahre Rocknacht

 

Die ab 1977 ausgestrahlten Rocknächte und die begleitenden Partys wurden europaweit zum Kult. Auftritte von Rory Gallagher, ZZ Top, Mitch Ryder, Peter Gabriel oder Grateful Dead gelten als legendär. 1986 endete dieses Kapitel zunächst. Die 90er brachten die Rückkehr, doch der Stern schimmerte immer blasser. Nach dem Wechsel in der Verantwortung von Peter Rüchel zu Peter Sommer schaffte es der Rockpalast mit der selbstveranstalten Reihe „Crossroads" und kleinen mobilen Teams vorwiegend auf den Sommerfestivals als Kultmarke auch in der Neuzeit zu bestehen.

Peter Sommer. Chef eines „Zwei-Leute-Redaktionsteams", ist von Haus aus Regisseur und Fan der ersten Rocknächte. Jedoch war sein Traumjob, beim Rockpalast Regie zu führen, vom Mann der ersten Stunde, Christian Wagner, der zusammen mit Peter Rüchel den Rockpalast aus der Taufe gehoben hatte. besetzt. So nahm Sommer den Umweg über die WDR Jazz-Redaktion bevor er schließlich 2003 den aus Altersgründen ausscheidenden Peter Rüchel ersetzen sollte. „Peter ging nicht freiwillig von seinem Stuhl und machte mir das Leben als Nachfolger nicht einfach. Eine Stafettenübergabe gab es praktisch nicht. Ich erbte eine einstündige Sendung mit Livemusik, die wir mit wenig bis fast gar keinem Budget weiterführen sollten. Ein Sprung in ganz kaltes Wasser."

Essen rockt! Ian Hunter April 1980 in der Grugahalle - Foto: WDR/M.Becker
Essen rockt! Ian Hunter April 1980 in der Grugahalle - Foto: WDR/M.Becker

Sommer machte aus der Not eine Tugend und verabschiedete sich von den mit schmalem Budget nicht finanzierbaren Ü-Wagen-Produktionen und stellte kleine Kamera- und Tonteams zusammen, die sich als Gäste auf etablierten Festivals zumeist im Sommer herumtrieben und authentisch das Rockgeschehen dort einfingen. „Da wir das Line-up nicht selbst zusammenstellten, ist nicht jede Band, die wir von nun ab zeigten, das, was wir auch selbst gut finden”, sagt Sommer, der rockmusikalisch breit aufgestellt ist. Von Jazzrock bis Heavy Metal reicht seine Bandbreite. „Von Colosseum bis zu Black Sabbath. Nur Reggae und HipHop sind nicht so mein Ding. Wenn das allerdings Teil der Festivals ist, von denen wir Konzerte senden, verschließen wir uns auch dem nicht.”

"Der Rockpalast ist weltweit die bekannteste deutsche TV-Marke. Das ist unser Ass im Ärmel."

Apropos Black Sabbath. „Das wäre für mich ein Traum gewesen, wenn wir das Konzert auf ihrer Abschiedstournee in Köln im Januar hätten filmen können. Das hat leider nicht geklappt." Trotz des Mythos und des Kults um den Rockpalast haben Bands wie Sabbath da ihre eigenen Interessen. Eigenständiger agiert der Rockpalast bei der „Crossroads"-Reihe aus dem Bonner Club Harmonie. Zweimal im Jahr laden sich Sommer & Co. für mehrere Tage jeweils zwei Bands pro Abend ein, die sie selbst spannend und sehenswert finden. Mit dieser Mischung hat das authentische Rock'n'Roll-Fernsehen seinen Nischenplatz im quotenabhängigen TV-Geschehen behalten. „Anregungen für ,Crossroads' finde ich auf Lieblingsfestivals von mir, wie dem Freak Valley oder dem Herzberg.”
Wir haben zudem das Glück, dass unsere aufgezeichneten Konzerte in der Mediathek ohne Verfallsdatum zu sehen sind, denn sind wir mal ehrlich, zu unseren ungünstigen Sendezeiten guckt doch wohl kaum einer eine Erstausstrahlung." Zudem verbreiten Fans die Sendungen via YouTube noch weiter, und zwar weltweit. „Der Rockpalast ist weltweit die bekannteste deutsche TV-Marke. Das ist unser Ass im Ärmel. Musiker wie Warren Haynes erzählen mir, dass sie als Teenie Bootlegs und Mitschnitte vom Rockpalast gesammelt haben. Bei solchen Musikern hast du sofort gute Karten, wenn du sagst, du willst die Band für den Rockpalast aufzeichnen. Und das hat mit den Anfängen und den ersten Rocknächten zu tun. Da haben Peter und Christian nicht nur Pionierarbeit geleistet, sondern es auch zum ersten Mal weltweit geschafft, ein Rockkonzert authentisch ins TV zu bringen.  

Wie viele Fans der ersten Stunden hat Peter Sommer als einstiger Rocknachtpartyveranstalter aber nach einigen Jahren das Interesse am Rocknachtformat verloren. „Kid Creole And The Coconuts habe ich wie viele andere nicht wirklich gebraucht. Bei der letzten Rocknacht habe ich dann keine Party mehr veranstaltet und die Gigs auch nur beiläufig über den Bildschirm in einer Rockdisco in meiner Heimatstadt gesehen.”
Selbst wenn der Rockpalast bis auf die vergleichsweise kleinen „Crossroads"-Veranstaltungen nur noch zu Gast ist auf dem „Haldern Pop”, „Rock Hard Festival”, „Rock am Ring” und „Serengeti Festival” oder Einzelkonzerten wie Heaven & Hell, ist der Anspruch geblieben, die Musik und die Musiker in den Mittelpunkt zu stellen. Und zum 4o. Jahrestag der ersten Rocknacht gab es gar so etwas wie eine Versöhnung der beiden Rockpalast-Peters. „Seit diesem Jahr können wir gar gemeinsam auf Veranstaltungen oder bei Interviews Rede und Antwort stehen.”

Kula Shaker - Southside Johnny

Govinda Jaya Jaya - Kula Shaker live at Rockpalast 2016 - Foto: WDR/T.v.d.Heiden
Rechts: Fever! Southside Johnny  The Asbury Jukes, 1979 - Foto WDR/M.Becker

Mythos Rockpalast

Geboren im Sommer '77

Peter Rüchel, der zusammen mit Regisseur Christian Wagner den Rockpalast 1974 mit Konzerten in einem kleinen Kölner Studio aus der Taufe hob, nutzte im Juli 1977 die Chance, nach Sendeschluss die erste Rocknacht in der Essener Grugahalle auf die Beine zu stellen. „Es war ein Abenteuer, und es war nur möglich in und zu dieser Zeit.”
Eine Zeit, in der es nur drei Programme und einen Sendeschluss gab. Und in der es nicht um Quoten ging. „Wir hatten Rory Gallagher schon live im Studio produziert, und er schien uns wie geschaffen als Opener für unsere erste Rocknacht.” Dabei ist Opener nicht der richtige Begriff, denn das Konzept der Sendung sah vor, drei gleichberechtigte Bands mit ihrem vollen Set hintereinander spielen zu lassen. Gallagher, Roger McGuinn und Little Feat hießen die Protagonisten der ersten Nacht. Rüchel und sein Team erarbeiteten sich fortan mit zwei Rocknächten pro Jahr, dem Loreley-Open-Air und einigen Einzelgigs, zu dem der legendäre Rainbow-Gig 1977 in München gehört, europa-, ja, weltweit den Ruf als authentischste Liverock-TV-Sendung.
Selbst wenn der Rockpalast nie ein Quotenbringer war, weil er bewusst nicht im Mainstream fischte, stei­gerte sich der Bekanntheitsgrad in der Szene. Mit der '81er-Rocknacht mit The Who und Grateful Dead hatte er seinen Popularitätshöhepunkt erreicht. Ein Jahr zuvor gelang Rüchel ein anderer Coup: ZZ Top kamen zum ersten Mal über den großen Teich. Daraus entstand eine bis heute währende Freundschaft. „ Wenn Billy Gibbons mit ZZ Top in der Nähe von Köln spielt, meldet er sich."
Jedoch ließ das Gespür für die richtigen Acts nach. „Während wir nach den ersten Rocknächten die Grugahalle schon ausverkauft hatten, bevor klar war, wer spielen sollte, wurde es dann merklich schwieriger, die Halle zu füllen.” Tiefpunkt war die Rocknacht vom 19. Oktober 1985 mit The Armoury Show, Squeeze, Rodgau Monotones und Ruben Blades. Mit 3000 Leuten war die Halle nur noch zu einem Drittel gefüllt. Auslöser dafür war auch die schwache Vorgängernacht im März 1985 mit Wolf Maahn, Al Jarreau und Paul Young. „Das hat mich richtig deprimiert”, so Rüchel. 1986 kam das vorläufige Ende. Nach einer Namensänderung in „Rocklife” ging es Mitte der Neunzigerjahre weiter. Das Loreleyfestival mit David Bowie und Iggy Pop im Juni 1996 wurde zum Publikumsmagneten. „So voll war es nie mehr auf dem Rockfelsen,” Ein letzter Triumph für das Rüchel-Team, denn trotz Rocknächten in Düsseldorf: Die geänderten TV-Zeiten und das aufkommende Internetzeitalter drängten den Rockpalast weiter an den Rand. Dass die Macher weiterhin Qualität produzierten, wurde erst Jahre später wiederentdeckt.

 


Michael Lorant - Eclipsed © 2017

Eclipsed - Rock Magazin -  Nr.193 September 2017  www.eclipsed.de

Mit freundlicher Genehmigung der Eclipsed Redaktion.


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