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„Live At Rockpalast“ Forever!

Von Michael Fuchs-Gamböck

Live At Rockpalast Forever

 

Manfred Schütz ist Gründer der Plattenfirma MiG (Made in Germany), die demnächst ihr zehnjähriges Jubiläum feiern darf. Der 69-jährige gebürtige Bamberger, der als Kind mit den Eltern nach Hannover übersiedelte, wo er bis heute lebt und wirkt, ist zuständig für das Erscheinen von „Live At Rockpalast 1979”.

Schütz ist ein alter Hase im Musikbusiness. Zusammen mit dem damaligen Kompagnon Wolfgang Küster gründete er 1974 den inzwischen legendären lndie-Plattenladen Boots. Parallel dazu betreute er als Labelmanager verschiedene Punk- und New-Wave-Bands. 1984 rief der Umtriebige mit Partnern die Plattenfirma SPV ins Leben, die sich innerhalb einer Dekade zu einer der wichtigsten Independent-Institutionen europaweit mauserte. Dazu gesellte sich ein weitverzweigter Vertrieb, über den Rockgrößen wie Alice Cooper, Whitesnake, Simply Red oder Motörhead ihre Werke in die ganze Welt liefern ließen. Bernd Ramien ist offiziell A&R-Manager bei MiG, inoffiziell ist er die „rechte Hand” von Schütz. Der 65-jährige gebürtige Wilhelmshavener ist seit 2015 an Bord, leitet die Promotion-Abteilung und ist zuständig für die Erweiterung des hauseigenen Katalogs. Ramien ist seit den 1970ern im Business, erlernte das Schallplattengeschäft bei der Hansa/Ariola, war Mitinhaber der Berliner Paragon-Studios, produzierte Künstler wie Peter Sarstedt, die Beatlegende Swinging Blue Jeans, Sal Paradise oder Zeltinger und war bei Dott Records sein eigener Labelchef.

Den „Made in Germany"-Schwerpunkt bildet der Aufbau neuer Künstler sowie das „Unters-Volk-Bringen” historischer Aufnahmen, u.a. der kultigen Reihe „Rockpalast” in Kooperation mit dem Westdeutschen Rundfunk. Schließlich ist es der WDR, der die TV-Konzertreihe 1974 ins Leben rief; die Serie wurde erfolgreich bis 1986 ausgestrahlt. Nach einer Pause hat man das Konzept anno 1995 wiederbelebt, es existiert weiterhin.

Schütz und Ramien wühlen sich nun mit ihrem Team konstant durch das „Rockpalast"-Archiv, um dort ganz erstaunliche Musikschätze aus bald einem halben Jahrhundert zu bergen und im Anschluss zu veröffentlichen, als CD/DVD-Boxsets. Eine Herkulesaufgabe für die beiden Rock-Urgesteine. Eine Herkulesaufgabe, die liebend gern und mit größtmöglich Leidenschaft absolviert wird. Ich rannte da offene Türen ein, da die Verhandlungen mit anderen interessierten Firmen gescheitert waren.

Roger McGuinn Warum kam die „Rockpalast Reihe" zustande?

SCHÜTZ: Zunächst mal aus persönlichen Gründen. Ich gehöre zu jener Generation von Teens, die ab deren Gründung diese Reihe im Fernsehen gebannt mitverfolgt hat. Wir waren regelmäßig 15 bis 20 Freunde, die sich nachts um einige Drei-Liter-Pullen Lambrusco geschart und vor meinem Schwarz-Weiß-Fernseher versammelt hatten, um sich den „Rockpalst“ zu geben. 2007 bin ich mit dem WDR ins Gespräch gekommen, um Mitschnitte zu veröffentlichen. Ich rannte da offene Türen ein, da die Verhandlungen mit anderen interessierten Firmen gescheitert waren.

Wie ging es weiter?

SCHÜTZ: Seit MiG existiert, arbeite ich eng mit dem WDR zusammen. Ich kann aus dem „Rockpalast"-Katalog frei wählen, was ich veröffentlichen möchte. Das Problem an der Sache ist, dass man im Anschluss mit den Künstlern beziehungsweise deren Managern verhandeln muss, ob die einer Lizenzierung zustimmen. Etliche fühlen sich geehrt. Andere haben keinerlei Interesse daran. Keith Richards etwa ließ einfach nur antworten: „No.” Und mit Ray Davies von den Kinks bin ich seit neun Jahren in Kontakt, ohne die Einwilligung für eine Veröffentlichung zu kriegen. Das ist frustrierend. Vor allem für mich als leidenschaftlichen Kinks-Fan.

RAMIEN: Schwierig ist es auch, bei bereits verstorbenen Künstlern die Rechte abzuklären. Das läuft dann meist über deren Estates und beauftragte Rechtsanwälte und kann sich über Jahre hinziehen. Bei The Band zum Beispiel haben wir nach zwei Jahren aufgegeben, als wir bei Kick Dankos Rechten mit dem Vollstreckungsgericht der Gemeinde, in der er zuletzt gemeldet war, verhandeln sollten.

Muddy WatersWer ist für die Auswahl der Veröffentlichungen zuständig?

RAMIEN: Wir sind aktuell ein Team von zehn Leuten, denken gerade übers Aufstocken nach. Jeder von uns hat seine eigenen musikalischen Prioritäten. Das macht die Sache spannend! Der Schwerpunkt der Veröffentlichungen liegt auf den Siebziger und Achtziger Produktionen. Wobei wir in der nahen Zukunft auch mehr und mehr Konzerte aus dem 2I. Jahrhundert rausbringen wollen. Mit diesen jungen Bands beziehungsweise deren Managements ist es übrigens häufig einfacher als mit den „Alten”, Verträge abzuwickeln.

Wird bei euch im Vorfeld Marktforschung betrieben?

RAMIEN: Natürlich! Wir holen uns Zahlen ein, welche Verkaufsmöglichkeiten es bei den jeweiligen Künstlern gibt. Parallel dazu müssen wir uns die Aufnahmen sehr präzise anschauen. Unter dem Aspekt, welche technische Qualität die Dinger haben.

SCHÜTZ: Aber auch unter dem Aspekt der künstlerischen Qualität. Gary Brooker etwa war am Abend seines Auftritts krank und hat nur gekrächzt. Das kannst du nicht veröffentlichen, so gern wir das getan hätten. Grace Slick war total besoffen, das dokumentieren wir gleichfalls nicht. Manchmal scheitert es auch am Geld, das einige Bands und Künstler für ihre Rechte verlangen. Das lässt sich dann ganz einfach wirtschaftlich in der heutigen Zeit nicht mehr rechnen.

Kevin CoyneVerhalfen „Rockpalast"-Auftritte, die im Fernsehen ausgestrahlt wurden, den live spielenden Künstlern zu mehr Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit?

SCHÜTZ: Um es am Beispiel Kevin Coyne festzumachen: Nach seinem Gastspiel dort stiegen die Verkaufszahlen seiner Alben nachweislich an, wenn auch in bescheidenem Maß. Für Künstler wie Little Feat, Kid Creole & The Coconuts, Mother's Finest oder Joe Jackson waren diese Gigs das ultimative Sprungbrett in die deutsche Hörerschaft.

Warum veröffentlicht ihr regelmäßig neue Produkte aus der „Rockpalast"-Reihe?

SCHÜTZ: Weil es mir eine ungeheure Freude bereitet, mich mit leidenschaftlicher Musik aus der Vergangenheit zu beschäftigen. Ich liebe das Zeug heiß und innig! Bei MiG nehme ich mir das Recht heraus, einerseits die Mitschnitte von bekannten Leuten erstmalig unters Volk zu bringen. Auf der anderen Seite aber auch die Gigs von No Names, die meist nur Insidern ein Begriff sind. Und was soll ich sagen, auch von den angeblich Unbekannten verkaufen wir ordentliche Stückzahlen, über die Jahre verteilt. So etwas freut mich immens.

Ramien und Schütz MIGWarum braucht die Welt alte Livemitschnitte?

SCHÜTZ: Als ich MiG 20I0 ins Leben rief, habe ich mir vorgenommen, „Kultur von Kultur-Schatten” zu veröffentlichen. Das Ganze weltweit. Ich bin nach wie vor erstaunt und glücklich, wie viele Sammler und Liebhaber es gibt, die bereit sind, für diese Produkte Geld auszugeben. So etwas beweist mir, dass die Musikbranche noch nicht völlig vor der Auflösung steht. Wirklich schön!

RAMIEN: Ich sehe es bei uns alten Rockern als Pflicht an, die Erinnerung an tolle Künstler und ihre Live-Momentaufnahmen hochzuhalten. Wir wollen nicht, dass mehr und mehr grandiose Acts mehr und mehr in Vergessenheit geraten. Rock'n'Roll is here to stay! Auch für dieses Jahr sind bereits weitere Veröffentlichungen fest eingeplant. Wie viele, das werden wir in elf Monaten sagen können.


Michael Fuchs-Gamböck - Goodtimes © 01/2020

GoodTimes ist DAS Magazin für die Musik der 60er, 70er und 80er Jahre!      www.goodtimes-magazin.de

Mit freundlicher Genehmigung von Fabian Leibfried, Herausgeber und Chefredakteur von GoodTimes - NikMa Verlag

Fotos ©  Manfred Becker/WDR oder NikMa Verlag


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