Michael Chapman, Mother's Finest, Dickey Betts & Great
Southern, Spirit - wer ist das denn schon? Diese Frage stellten sich wohl viele Leute
angesichts des endgültigen Programms für die zweite deutsche TV-Rocknacht. Die erste
Ausgabe der Bildschirm-Show im Juli vergangenen Jahres war da mit Rory Gallagher, Little
Feat und Roger McGuinn wahrlich spektakulärer bestückt. Aber auch ohne attraktive
Zugnummern und wohlbekannte Stars wurde die Rocknacht wieder eine runde Sache. Und das
Team des "Rockpalastes", das ja auch diesmal wieder die Fäden der Veranstaltung in der
Hand hielt, hatte keinen Grund, all den Spitzenbands nachzutrauern, die ihm einen Korb
gegeben hatten.
"Wir hatten Grateful Dead schon sicher", berichtet Ansager Albrecht
Metzger bei einem Gespräch über die Vorgeschichte des Festivals. "Bob Weir war aber
vertraglich woanders gebunden, und so scheiterte alles. Mit Steve Stills und anderen
haben wir verhandelt, aber man muß die Verträge wohl ein Jahr vorher schließen, um ganz
sicher zu gehen!"
In der Tat: Die bereits fest gebuchten Kinks sagten kurzfristig ab,
weil sie mit Plattenaufnahmen beschäftigt seien und zudem seit längerem nicht mehr live
aufgetreten wären, was eine heftige Kontroverse zwischen der deutschen Plattenfirma und
den Kinks auslöste. Die deutsche Firmenmanager beharrten auf dem Standpunkt, ein Auftritt
in der Rocknacht könne dem ramponierten Image der Gruppe sehr viel mehr nützen als die
termingerechte Fertigstellung einer LP. Doch offenbar wissen einige Engländer den
Auftritt in einem deutschen Fernseh Festival, das zeitgleich in Schweden, Norwegen,
Österreich und der Schweiz sowie zeitversetzt in Jugoslawien und Finnland übertragen
wurde, nicht richtig einzuschätzen.
Beim WDR hatte man aus den Fehlern der Debut-Sendung gelernt: Der
zweite Moderator, der Engländer AI Cox, konnte Englisch und lief trotz anfänglicher
Nervosität zu guter Form auf; den immer noch überforderten Albrecht "Dschömen
Tellevischon prautli prisenzz" Metzger zog er zum Beispiel beim Dickey Betts-Interview
aus der Patsche. Metzger sollte es sich übrigens endlich abgewöhnen, die
Künstlerbiografien der Plattenfirmen nahezu wörtlich vorzulesen. So sind diese Bios nicht
gedacht... Und ein Christian Simon ("Rockpop") im Fernsehen reicht ja
wirklich.
Aber kommen wir zum Programm. Der Sänger/Songschreiber Michael
Chapman blieb den Radiohörern vorbehalten, was wegen seiner unzureichenden optischen
Ausstrahlung eh von Glück war. Mother's Finest aber machten ihrem Namen dann alle Ehre
und sorgten mit einem heißblütigen Auftritt für die weitere Popularisierung eines Stils,
der seit den Tagen von Sly & The Family Stone in den USA mehr und mehr Freunde
gewinnt: Weg vom penetranten Disco Soul, hin zu vielfarbigen Mixturen aus Soul, Rock oder
Jazz.
Nach Pausenfilmen mit Graham Parker, Ian Dury später auch Wishbone
Ash, rückten dann Dickey Betts & Great Southern an, die gewiß keine Schuld daran
trugen, daß einige der viereinhalbtausend Zuschauer die Grugahalle mit ihrem Schlafzimmer
verwechselten. Betts Sumpfige Stimme, sein ausgeprägtes Gitarrenspiel und die wahrlich
rollende Unterstützung seiner Mitspieler sorgten für reichlich Stimmung, zumal Betts mit
alten Allman Brothers Stücken wie "Jessica" und "In Memory Of Elizabeth Reed" immer auf
Knüller zurückgreifen kann, die publikumswirksam sind. Hierbei zeigte sich auch warum
Kenner Dickie Bett und nicht Greg Allman als den denjenigen bezeichnen, der die Allman
Brothers Band nach Duan Allman's Tod wieder hochgeschoben hat. Auf die in diesen Tagen
erscheinende zweite LP von Betts & Great Southern kann man sich jedenfalls
freuen.
Schließlich und endlich das wahrscheinlich letzte Konzert einer
Band, die seit 1967 besteht und deren erste LPs "Spirit",
-
The Family That Plays Together" und "Clear" hiermit nochmals wärmstens
empfohlen werden. Randy California, Larry Knight und Vollglatzkopf Ed Cassidy beschworen
-- beinahe anachronistisch - abermals die Zeit, als eine bis heute unverstandene Fusion
aus Rock, Jazz, Psychedelic, Hendrix, Blues und Folk (so etwa klingen besagt Spirit-LPs)
noch die Gnade von Marktstrategen fand; als Trio Besetzungen noch Ideen
besaßen.
Daß Spirit hinhauen würden, konnte man bei genaue Überlegung schon
vorher annehmen: Noch 1976 hatte da Trio mit "Spirit Of '76" ein patriotisches und
trotzdem gelungenes Doppelalbum vorgelegt und daß Randy California trotz seiner Anklänge
an Hendrix und Ed Cassidy trotz seines Alter versierte Techniker sind, wußte man auch.
Dies zeigte sich besonders morgens um fünf, als Spirit mit Dickey Betts auf Jam-Tour
gingen. Erwähnenswert ist ebenfalls, daß Spirit, die demnächst unter dem Name Aqua Blue
Neues versuchen werden, derzeit ohne Plattenvertrag sind. Mit anderen Worten, hier
spielte eine Band nur für sich und das Publikum, ohne daß dabei Manager beaufsichtigten,
Marketing-Leute Kosten kalkulierten oder Werbeleute eine neue LP promoten wollten. Eine
absolute Rarität also - und der Rockpalast kann mit Stolz behaupten, nun auch solches im
Kasten zu haben.