Rockpalast Archiv

 Sounds

Mutters feinster Rockpalast

Von Axel H. Lockau

"Die wissen, wie wichtig so 'ne Sache für sie ist und haben sich mächtig darauf vorbereitet", meinte Albrecht Metzger vor Beginn der Sendung." Die waren jene drei amerikanischen Formationen, die man für die zweite lange Essener Fernseh-Rock-Nacht aufgetrieben hatte. Auf der Bühne rätselten wir noch, wieviel denn wohl mittlerweile in der Grugahalle johlten, da meldete "Bild am Sonntag" schon präzise: "Knapp 6000 junge Leute kamen mit Charterbussen nach Essen." Das ist aktueller Journalismus, meine Damen und Herren!

Dann also: Jschörmenn tällewischen prrrautli prrriesänts, Mother's Finest !!!" Und nun endlich durften sie auf die Bühne, nachdem sie schon einmal zurückgescheucht worden waren, damit ihr Aufmarsch auch ja mediengerecht werde. Daß ihr Set mehr als nur mediengerecht war, habt Ihr ja selbst in Eurer Braun'schen Röhre gesehen. Mein lieber Mann, wenn die Rockpalast-Leute eine Anmachgruppe gesucht hatten, diesmal hatten sie das richtige Händchen gehabt. Sowas von Dampf, so eine Spielfreude und so eine überzeugende Präsentation! Zwei LPs gibt's bislang von Mother's Finest. In Deutschland waren sie bisher ein unbeschriebenes Blatt, aber nach dieser Vorstellung kommen sie bestimmt wieder. Nach einer Sekunde ungläubigen Staunens sah es in der Grugahalle dann auch so aus, wie man sich ein typisches Konzert in den Staaten vorstellt. Allen voran kurvte, hüpfte und kugelte Joyce Kennedy über die Bühne, Ehemann Glenn Murdock schwitzte das ganze Fachinger wieder aus, das er als aufrechter Sänger einer Vegetarierband vorher zu sich genommen hatte, und dahinter donnerte die Band, verstärkt durch 2 x 6000 Watt. Anschließend dann das Interview, geführt von einem deutschen Moderator und einem, der Englisch sprach. Eigentlich die idealen Voraussetzungen, Wenn sich Al Cox auf's Fragen und Albrecht Metzger auf's übersetzen ins Deutsche geeinigt hätten.

Mothers Finest

Das war der Beweis: Niggaz Can Sing Rock´n´Roll!!!

Umbaupause, reibungslos und kurz wie im Lehrbuch und dann Auftritt: Dickey Betts and Great Southern. Im schlichten Arbeitsdress der Südstaatenrocker, von einigen Leuten für die Roadies gehalten, von Al Cox in seiner Moderation als "a group with an extra-pound by two drummers" angekündigt, war das Ganze gar nicht so pfundig. Ob der Mother's Finest-Set ihnen die Stimmung verhagelt hatte oder ob das gewohnt dankbare Aufjubeln bei Allman-Klassikern wie "Jessica" zu schwach war, die Großen aus dem Süden taten sich schwer. Steinerne Gesichter, lieblose Improvisationen rollin' down the highway war das nicht, eher Bulli anschieben auf einer Landstraße zweiter Ordnung. Auch beim anschließenden Interview blieb Herr Betts recht zugeknöpft. Zwar erfuhren wir zu unserer grossen Verwunderung, dass "sein Eheweib fünf Jahre eine Indianerin war", aber daß das Essener Publikum ihn zu wenig kannte, war denn doch eine etwas zu durchsichtige Schutzbehauptung.

Und dann war es plötzlich. 1968. Für die Kinks, über deren Nichterscheinen die wildesten Gerüchte kursierten ("Sie konnten nicht, weil sie noch 'ne LP fertig produzieren mußten; sie kommen nicht, weil sie bei der Auswahl der anderen Gruppen mitreden wollten; sie kommen nicht, weil sie Angst haben!"), für die Davies-Leute also waren (zum ersten Mal seit fünf Jahren) Spirit nach Europa gekommen.

Ich weiß nicht, wie ihr Set über den Schirm gekommen ist, aber unter der Journaille - die es übrigens zum größeren Teil vorgezogen hatte, diesen event in der guten Stube zu verfolgen - waren die Meinungen sehr, sehr gespalten. Auf jeden Fall war es der Auftritt einer acid-band alter Schule. Räucherstäbchen an den Verstärkern, brennende Kerzen, Randy Californias Wanderungen durch's Publikum "Hey Joe" und die Ode - Like A Rolling Stone". Wenn man in die Gesichter in den ersten Reihen geblickt hat, die Leute gesehen hat, die die Texte mitsangen, wenn man nach dem Konzert den mittlerweile schon fünfzigjährigen Skinhead Ed Cassidy beobachtet hat, wie er plaudernd und Bömmskes verteilend (so heißt das in Essen) durch's Publikum streifte, dann konnte einem schon wehmütig werden.

Und wer für derlei nicht empfänglich ist, der möge sich damit trösten, daß zumindest die Güte unseres Fernsehbildes den Amerikanern imponiert. Mother's Finest-Bassist Jerty Seay zumindest zeigte sich begeistert: I couldn't believe it, when I saw how sharp it was." Tja it's a matter of technique, oder?


Von Axel H. Lockau

Foto: Manfred Becker

Sounds April 1978

Mit freundlicher Genehmigung von Axel H.Lockau


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