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Peter Rüchel und Christian Wagner, die Oberhirten des Rock-TV, hatten ihre Schäfchen wieder einmal in der Grugahalle versammelt, um den Rocknächten der Vergangenheit eine weitere hinzuzufügen. Das Programm versprach Qualität, denn angesagt waren die Blues Band, Joan Armatrading mit Band, Ian Hunter featuring Mick Ronson sowie aus den USA die Gruppe Z.Z.Top. So war's geplant und so lief's auch ab: nach dem obligaten "Dschörmen Tellewisch'n prautli präsenz ... " wurde die Bühne von der englischen Blues Band eingenommen, die dann anderthalb Stunden lang astreinen Rhythm'n Blues über den Sender jagte. Leider wurde diese Gruppe nur vom regionalen Westdeutschen Fernsehen übertragen, da sich die ARD mit dem ersten Kanal erst gegen Mitternacht zuschaltete. Es wäre vielleicht eine Überlegung wert gewesen, die Blues Band mit der Joan Armatrading Band auszutauschen, denn letztere absolviert ja sowieso augenblicklich eine ausgedehnte Deutschland-Tour. Doch das ist nicht der einzige Aspekt, auch musikalisch hätte ich die Blues Band dem bundesdeutschen Fernseh-Rockpublikum gegönnt. Ich lege mich hier deswegen so für die britischen Jungs ins Zeug, weil sie meiner Meinung nach der eigentliche Hammer dieses Festivals waren. Es sind allesamt schon alte Hasen, einige von ihnen konnte man früher bei Bands wie Manfred Mann oder McGuiness Flint finden. Falls jemand ein paar Platten dieser Formation im Schrank stehen hat, wird er wissen ' was ich damit meine. Trotz ihrer langjährigen Routine sind die Boys der Blues Band noch auf ihren Amateur-Status stolz, denn tagsüber gehen sie alle "normalen" Berufen nach, vom Taxifahrer bis zum Schauspieler. Sollte man nach London kommen, kann man sie dort allabendlich in den einschlägigen Blues-Clubs sehen und vor allem hören. Die Blues Band spielt einen direkten, erdigen Blues, der auf der einen Seite Spaß macht und andererseits das nötige Feeling und die lockere Spielweise nicht vermissen läßt. Nach einem braven Interview ging es weiter im Programm mit Joan Armstrong (wie sie im Anschluß an ihr Rockpalast-Konzert auf der Autogrammwand signierte). Die schwarze US-Lady war bereits vor einiger Zeit einmal Gast im Rockpalast, allerdings damals nur vor wenigen Zuschauern im Studio der Kölner Annostraße. So schlecht sie damals im Studio abschnitt, so gut ging es nun in Essen los. Joan stand vorne im hellen Scheinwerferlicht, während die Band hinter ihr für einen harmonischen Background sorgte. Viele der unzähligen Armatrading-Hits kamen zu Gehör, und hie und da schlich sich der eine oder andere Rock-Titel in ihr Repertoire ein. Ob man J oan Armatrading dem Rock Business zuzählen kann, darüber kann man streiten. Mir ist sie beispielsweise etwas zu seicht und zu eingängig, als daß ich sie in einer Fernsehsendung sehen wollte, die den Namen Rockpalast trägt. Dennoch muß man ihre schönen und melodischen Songs (welche übrigens vom Arrangement her gar nicht immer so einfach sind, wie sie sich anhören) an dieser Stelle einmal lobend hervorheben, wie man überhaupt für alles dankbar sein sollte, was nicht mit Disco-Geigen oder Eunuchenstimmchen künstlich aufgemotzt worden ist. Auf Mrs. Armatrading folgte ein musikalischer Kontrast-Knaller, und zwar lan Hunter mit Band. Die meisten Zuschauer kannten lan noch aus seiner Mott-TheHoople-Zeit; mit der jetzigen Formation ist er nicht ganz so spektakulär. Sein Name stand immer für gute, harte Rockmusik und das hat sich nicht geändert. Zu seiner Gruppe zählt auch Mick Ronson, der sich den Zuschauern in der Halle und am Bildschirm wohl als einer der besten Rockgitarristen präsentiert hat. Mick hat bereits eine Solokarriere hinter sich und gehörte auch schon verschiedenen Gruppen an. In der Halle wurde die Freude an dieser Band allerdings mächtig durch die Wahnsinnslautstärke geschmälert, mit der die Jungs loslegten. Das ging zeitweise gar soweit, daß die Endstufen der Hallen-PA für Bruchteile von Sekunden wegen Überlastung abschalteten, und auch die Sprechchöre "Leiser! Leiser!" blieben von den Fredis am Mixer unbeachtet. Es kommt wirklich nicht oft vor, daß mir die Lautstärke Probleme bereitet, aber die lan Hunter Band erreichte doch ziemlich oft die Schmerzgänge, so daß mir nichts anders übrig blieb, als meine Ohren in ruhigere Gefilde zu tragen.Die fand ich im Recording-Mobile von Tonkutscher Dieter Dierks; dort war der Sound tierisch gut. Die Band des Festivals ging gegen vier Uhr in der Früh auf die Bühne: Z.Z. Top, Amerikas "Abräumer", wie man Presseberichten zuvor entnehmen konnte. Die drei Texaner ließen denn auch voll "die Sau raus", wie man hier im Rheinland zu sagen pflegt, doch ehrlich gesagt hatte ich mehr erwartet. Ich kann nicht behaupten, daß die Jungs schlecht seien, dagegen spricht schon ihr internationaler Erfolg. Aber im Vergleich mit früheren Top-Acts des Rockpalast-Festivals haben diese Rock-Rabbis nicht unbedingt den besten Stand, man denke hier nur an die Konzerte von der J. Geils Band, Southside Johnny mit seinen Asbury Jukes oder an die Little Feat-Show. Trotzdem hat es mich einmal wieder in Erstaunen versetzt, als ich sah, wie ausgiebig man an drei Harmonien in Verbindung mit 'ner Vierviertel Bassdrum herumlutschen kann. Es wird der Tag kommen, wo der Rock'n Roll am Herzinfarkt stirbt. Gegen halb sechs morgens war das Festival zu Ende und die vor der Halle parkenden Omnibusse füllten sich mit zufriedenen Rockfans. Es gab in oder vor der Halle genausowenig irgendwelche unvorhergesehenen Probleme wie auf oder hinter der Bühne. Dieses Festival war das bislang glatteste möglicherweise spannungsloseste der Rockpalast-Tradition. Keine randalierende Patty Smith, kein zugedröhnter Mitch Ryder, keine Pannen und keine Schlägereien: der TV Rock ist stubenrein geworden; er kann jetzt mit Messer und Gabel essen. Der Reiz des Uneingeplanten war auf ein Minimum begrenzt und viele meiner Bekannten sind, wie sie mir nachher sagten, aus Langeweile und nicht aus Müdigkeit schon vor Festival-Ende unter die Bettdecke gekrochen. Für die nächste Rocknacht wünsche ich mir wieder etwas mehr Risikobereitschaft seitens der Programmplaner, damit man der besten Fernsehrocksendung Europas nicht nachsagen kann, sie sei nicht lebendig und spritzig genug. B.K.P. Musiker & Tontechnik Juni 6/1980 Fotos: www.BrunoKassel.de Da es die Musiker nicht mehr gibt und ich nicht weiss wer der Autor ist hoffe ich das keine Einwände gegen die Veröffentlichung im Rockpalast Archiv bestehen. | |||||||||||