Peter Rüchel muß einiges schlucken. Der verantwortliche Redakteur des
"Rockpalasts" ist voll in die Schußlinie gebraten. Nach dem Ausscheiden von Moderator Man
Bangs und einem Trauerspiel auf der Loreley steht die Rockpalast-Konzeption mehr denn je
Im Kreuzfeuer der, Kritik. Häme und Schadenfreude allerorten Diese Chance floß sich
natürlich auch Dr. Gonzo nicht entgehen - und gibt ordentlich Senf in Rüchels
Süppchen.
Von Dr. Gonzo
MusikExpress/Sounds
Oktober 1984
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Groß ist er ja. Zumindest was das Körperliche anbelangt. Doch nun möchte
er wohl endlich überlebensgroß werden, der Peter Rüchel. Weiß der Teufel, was in ihn
gefahren ist, wagte er sich doch unlängst aus dem so unglamourösen Schattendasein eines
WDR-Redakteurs heraus und präsentierte sich der staunenden europäischen Öffentlichkeit in
voller Leibesfülle als Moderator.
Nun ist er ja kein Dummer, der Moderator Peter Rüchel, und so beugte er
dann auch kurz nach der Loreley-Marathon-Gitarren Schlacht in einem SFB-Interview
jedweder Kritik an seiner neuen Funktion gezielt und energisch vor. Schlau verwies er auf
den abgedankten Albrecht Metzger, sprach von Rezensenten,
"die Häme mit Kritik verwechseln" und meinte nun, sämtlichen Schreiberlingen den
Wind aus den geblähten Segeln genommen zu haben.
Da liegt er aber böse schief, der Herr Rüchel, denn nur noch der Papst
darf beispielsweise sein Priestervolk mittels Enzyklika zum Zölibat verdammen, ein
Kritiker aber darf - in meinen Augen - alles. Auch hämisch sein. Besonders dann, wenn es
sich um den immer dumpferen, nichtssagenderen Rockpalast und sein grauhaariges
Ober-Groupie handelt.
Doch kommen wir - zunächst mal ohne Häme - zum eigentlichen Geschehen
hinter den Kulissen. Da wies also Herr Rüchel und das nicht nur in seinem Interview
zunächst einmal jeden Gedanken an eine Rockpalast-Krise von sich und kam dann nach
einigem Nachdenken zum Thema wo denn nun Alan Bangs abgeblieben sei.
Nun beschwor Herr Rüchel wie weiland der große Manitou als erstes
ein mal den Team-Geist und verriet dann, daß Alan Bangs schon immer die Angewohnheit
gehabt habe, Probleme, die er sähe, "erst
kurz vor der Sendung einzubringen". Und da sei ihm nun (Peter Rüchel)
"endlich der Faden gerissen ".
Also moderierte er dann mit besagtem gerissenen Faden und einem
köstlichen Heinrich-"equal goes it loose“-Lübke-Englisch seinen Rüchelpalast selbst und
trieb nicht nur mir ob des Programms und des ihn begleitenden Dilettantismus die Tränen
in die fernsehmüden Augen.
Der gute Alan, der mir schon vor einiger Zeit sein Leid über Rüchels
Selbstherrlichkeit und seine krank- und lachhafte Springsteen-Fixierung geklagt hatte,
aber wohl gefrustet der Knete wegen weitermachen mußte, hatte eine andere, glaubhaftere
Version des Loreley-Debakels parat. Er sei am Mittwoch vor der Sendung am Ort des
Geschehens erschienen und habe sich mit Rüchel, Regisseur Christian Wagner und Ruth
Rockenschaub, seiner neuen Mitmoderatorin, die EI Zampano nirgendwo mit keiner Silbe
erwähnte, in der Bar getroffen.
Man sprach über den Programmablauf, einigte sich auf dieses und jenes,
doch als dann die Rede auf den Springsteen-Clone Little Steven kam, da holte der vom Team
Geist beseelte (oder war's vom badischen Wein???) Peter Rüchel plötzlich die Katze aus
dem Sack.
Man dürfe, so befahl er, den kleinen Steven über alles ausfragen, nur die
Gretchenfrage, warum er denn seinem Boß adieu gesagt habe, die dürfe man ihm keinesfalls
stellen.
Und nun schalten wir, der Dramatik wegen, auf O-Ton Alan Bangs.
Bangs: "
Wir dürfen ihn also nicht nach seinem Ausstieg fragen? Ich meine, wir reden hier doch
nur über Springsteen. Steht denn mittlerweile im Vertrag, was gefragt werden
darf?"
Rüchel:
"Leck mich doch am Arsch!"
Bangs: "Das
laß ich mir nicht gefallen.“
Rüchel:
"Dann hau doch ab und mach deinen Scheiß-Musikconvoy!"
Tja, so offen und so ehrlich ist er, der Peter Rüchel. Daß er mir vor
etwa neun Jahren anläßlich eines Gesprächs mal glaubhaft verriet:"
Von Musik habe ich keine Ahnung, da mußt du dich an den Christian wenden", das
ehrte ihn schon damals, denn auch heute - man schaue sich seine abgestandenen
Programm-Zusammenstellungen an - werden seine Ganglien nicht gerade von Ahnung
hinsichtlich moderner Musik getrübt. Doch daß aus ihm einmal so eine Art Nero des
Unterhaltungsbereichs werden würde, das hätte ich nie zu befürchten gewagt.
Heute besteht das vielbemühte "Rockpalast-Team" aus Peter Rüchel, Peter
Rüchel und nochmals Peter Rüchel. Denn wie anders ist es zu erklären, daß er das
Fernsehvolk unerbittlich mit seinen pathologischen Springsteen-Obsessionen nervt oder
daß er Gruppen wie Little Steven und Stevie Ray Vaughan ohne Absprache mit Regisseur
Wagner verpflichtet? Fragen über Fragen, die sich aber sicherlich bald von selbst
beantworten werden. Auf der Loreley, einem Konzert-Gelände, das rund 20000 Besucher faßt,
erschienen zum Rüchelpalast gerade noch 6 500 Verirrte. Und was die Einschaltquoten
anbelangt, so kann ich mir vorstellen, daß (mal abgesehenvon den ewig breiten
Skandinaviern, die alles, was eine Gitarre halten kann, für 'nen Musiker halten) nur
wenige Lust und Laune verspürten, sich diesen breitgetretener, Quark anzusehen.
Vielleicht erledigt sich dieses unappetitliche Thema ja im Laufe der Zeit
von selbst. Vor meinem geistigen Auge sehe ich schon den Moderator/Redakteur-Regisseur/
etc.pp. Nero Rüchel auf der Bühne der Loreley stehend die Marshall Tucker Band, die Ozark
Mountain Daredevils und Black Oak Arkansas - um lediglich nur diese zu nennen - ansagen.
Vor ihm haben es sich Heinz-Herbert aus Wanne-Eickel und Anita aus Castrop-Rauxel bei
mitgebrachtem Bier und selbstgeschmierten Stullen so richtig gemütlich gemacht und ziehen
sich die todgeilen Klänge der Siebzigjährigen da oben rein.
Was sagt ihr? Satire? Hah, Herr Rüchel kommt euch beim nächsten Mal noch
viel dicker, denn sein nächstes Palästli will er doch tatsächlich da droben am Nordkap
inszenieren.
Alan Bangs aber, obwohl er dann bestimmt nicht dabei sein wird, sieht
auch das mit jenem Optimismus, der ihn diverse Rockpaläste mit Bravour überstehen ließ: "
Das sieht doch sicher gut aus", meint er, „
wenn Rüchel und Wagner aus einem U Boot
Regie führen und Bruce Springsteen auf einem hoffentlich schnell schmelzenden Eisberg
seine Weisen für die am Ufer frierenden Pinguine zum Besten gibt."
Dr. Gonzo
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