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Rock Times, Bonn Nr.1 +2 / 2010Peter Rüchel
Der Name Peter Rüchel ist vielleicht nicht jedem ein Begriff, aber wenn man den WDR Rockpalast erwähnt, fällt der Groschen. Peter Rüchel wurde 1937 in Berlin geboren, studierte in München und landete nach dem Studium wieder in Berlin. Dort bekam er einen Job beim Sender Freies Berlin. Doch dann kam es anders, über den Umweg ZDF landete er 1974 beim WDR, wo er Leiter des WDR Jugendprogramms wurde. Er lernte den Regisseur Christian Wagner kennen und so entstand der Rockpalast. Weitere Details könnt ihr im Interview lesen (hier Teil 1) oder im Rockpalast Buch (siehe CD Kritiken). Ich erinnere mich noch sehr genau an die Luftangriffe in Berlin während des 2 Weltkriegs (er war 8 Jahre alt) Wir mussten schon tagsüber in die Luftschutzkeller. Später wurden wir nach Pommern, auf die Insel Volin evakuiert. Als die Russen das Land eroberten, flüchteten wir. Was war die erste Musik, mit der du in Berührung gekommen bist? Das war klassische Musik. Da war ich noch in der Schule. Als Schüler bekam man verbilligte Karten für Theater und Konzert Hallen. Ich bin also mit Beethoven, Bach und Mozart aufgewachsen. Ich höre privat sehr gerne klassische Musik. Später kam dann Jazz und natürlich die Rockmusik hinzu. 1953 bist du für ein Jahr nach Amerika gegangen. Welche Musik hörte man damals? Ja, ich war als Austauschschüler ein Jahr dort. Damals waren Glen Miller, Duke Ellington oder Benny Goodman populär, die Big Band Jazzer. Man tanzte zu „In The Mood” (Glen Miller) Du hast dann Philosophie und Germanistik studiert. Welchen Beruf wolltest du ergreifen? Ich wusste es nicht. Nur Lehrer wollte ich nie werden. Damals konnte man einfacher studieren, es gab noch keinen „Numerus Clausus”. Ich studierte in München, weil es in Berlin nicht so viele Plätze gab. Man rutschte in ein Studium und in den ersten 3 Semestern lernte man hauptsächlich das Münchener Nachtleben kennen.(lacht) Aus finanziellen Gründen bin ich wieder nach Berlin zurückgekehrt. Wir waren nicht so begütert, ich habe noch eine Schwester und Bruder. Da konnte man nicht allen ein Studium außerhalb Berlins finanzieren. Hier kam die entscheidende Wende in seinem Leben. Du hast dich beim SFB beworben. Wie bist du auf diese Idee gekommen? Ich musste mich mit Themen im Studium und der Abschlussarbeit beschäftigen, die mich absolut nicht interessierten. Deshalb beendete ich mein Studium nicht Außerdem hatte ich geheiratet und mein erster Sohn war unterwegs. Ich brauchte einen Job. Über eine Anzeige landete ich beim Sender Freies Berlin. Ich arbeitete zunächst im Filmarchiv. Das erfüllte mich aber nicht wirklich. Ich wechselte dann zur Radio Station des Senders und landete bei der Kultsendung: SFBeat. Das war eine Musiksendung, verbunden mit interessanten Themen. Die lagen in Berlin auf der Strasse, es war die 68er Zeit mit der Apo und den Studentenunruhen. Wir berichteten von all diesen Dingen. Ein Intendant fand das zu links und versetzte mich zur „Berliner Abendschau".(das Lokalprogramm) Doch Peter ist nicht in Berlin geblieben, er wechselte 1971 zum ZDF. Ich sah in Berlin keine Zukunft mehr. Über einen Freund bekam ich mit, dass beim ZDF ein Jugendprogramm entstehen sollte und sie einen Redakteur suchten. Ich wurde dann nach Mainz eingeladen. Ich erzählte ihnen meine Idee, wie ich mir Jugendprogramm vorstellte. Das hat überzeugt und so wechselte ich zum ZDF. (bis März 1974) Sein Magazin hieß „Direkt” und bekam verschiedene Preise verliehen. Bei einer dieser Preisverleihungen traf er Hans George Falkenberg, Kulturchef beim WDR. Ja und wir haben uns direkt gut verstanden. Ein Jahr später bekam ich von ihm einen Anruf, er wollte mich zum WDR holen. Ich sollte die Leitung des Jugendprogramms übernehmen. Dazu muss man sagen, das jeder Fernsehschaffende gerne in der Zeit für den WDR arbeiten wollte.(der größte und liberalste Sender) Das war „wie der Ritterschlag”. Es war eine Berufung von ihnen gefragt zu werden, „ähnlich, wie wenn die Queen jemand adelt” (lacht) Ich fuhr zum WDR und stellte mich der Chefetage vor. (u.a. Werner Höfer) Es waren gute, fruchtbare Gespräche und so arbeitete ich vom 1 April 1974 beim WDR. Und hier beginnt dann auch die Zeit des Rockpalasts. Er lernte Christian Wagner kennen, einen jungen Regisseur von der Münchener Filmhochschule. Diese Story erzählen wir im zweiten Teil unseres Interviews in der April Ausgabe.
Peter Rüchel (Teil II)Nachdem wir im ersten Teil des Interviews mit Peter seine Vergangenheit vor der Zeit beim WDR ausgeleuchtet haben, kommen wir jetzt zum wichtigsten Teil seines Lebens. Ohne Peter (und Regisseur Christian Wagner) gäbe es das heutige Musik Fernsehen gar nicht. Sie waren die ersten, die als Vision Aufzeichnungen von Live Konzerten im Fernsehen planten und auch ausführten. Natürlich muss man auch ihrem Sender WDR und den verantwortlichen Personen danken. Sie scheuten sich nicht, ein Programm zu genehmigen, das man gemeinhin als „Spartenprogramm” bezeichnet. Hören wir nun von Peter persönlich wie es zu der Rockpalast Sendereihe, den Rockpalast Nächten in der Essener Grugahalle und den Open Air Konzerten auf der Loreley gekommen ist. Ich lernte 1974 Christian Wagner kennen, ein junger Filmstudent aus München. Er hatte sich in seinem Studium auf das Thema „die Darstellung von Musik im Fernsehen” konzentriert. Seine Abschlussarbeit handelte über den Singer/Songwriter Tim Harden und KRAAN. Der Bayrische Rundfunk stelle ihm ein Studio zur Verfügung und er filmte in S/W ein Konzert. Ich sah diese Sendung und lernte Christian persönlich kennen. Das gefiel mir. Ich war inzwischen Leiter des Jugend Programms des WDR und wollte gerne auch Musik im Programm haben. Es gab aber noch kein Konzept bzw. Sendeplatz. Doch wer Peter kennt, weiß, das wenn er von einer Idee überzeugt ist, hartnäckig sein kann. So sollte es im Jahr 1976 so weit sein, die Idee des „Rockpalast' wurde geboren. Wie so oft, wenn man einen passenden Namen sucht, zermartert man sich das Hirn. Es gab eine Liste mit unendlich vielen Namen, von Rockstudio bis zum absurden Sportpalast. Meine Sekretärin Bärbel Müller hat aus diesen Begriffen dann einen gemacht und machte den Vorschlag, „nennt es doch Rockpalast”! Das war die Geburt dieses tollen Namens, der zu einem Kultbegriff wurde. Wie sah das Konzept dieser Sendung aus? Das war eher simpel gestrickt. Wir wollten live gespielte Rockmusik ins Fernsehen bringen. Die Sendung wurde in Köln in einem kleinen Studio in der Südstadt aufgezeichnet Wir konnten zunächst nur 30 Minuten ausstrahlen, mehr Sendeplatz bekamen wir nicht zur Verfügung gestellt. Wir wählten die Musik nach unserem Gutdünken aus, was schon mal ein weites Feld ausmachte. Die Konzerte haben wir selber veranstaltet, der Eintritt war frei. (Es passten nur 80 Leute ins Studio, bei RORY GALLAGHER befanden sich 160 Zs. im Studio) Ihr habt bald gemerkt, dass dieses Studio zu klein für Konzerte ist. Ja. Im August 1976 ging es darum, wen laden wir als nächstes ins Studio ein. Ich und Christian kamen dann ins Grübeln und wir ließen unserer Fantasie freien Lauf. Es sollte eine Sendung sein, bei der das Live Konzert Samstag Nacht läuft. Das Radio würde parallel dazu in Stereo senden, was damals im Fernsehen noch nicht möglich war. Am besten als Eurovision. Die Suche nach einer geeigneten Halle war anfangs nicht so einfach. Die Kölner Sporthalle war uns zu nah, die Westfalenhalle in
Dortmund zu groß, es blieben die Düsseldorfer Philipshalle und die Essener Grugahalle zur Auswahl. Wir kannten beide Hallen und von der Größe und Atmosphäre haben wir uns für die Grugahalle entschieden. In die Halle passten maximal 10000 Zs., das haben wir später auf 8000 reduziert, weil es zu eng wurde. Wir hätten nie gedacht, dass solch ein Konzept im Sender durch-kommt. Doch als ich am nächsten Morgen zum Sender fuhr, nahm ich all meinen Mut zusammen und bin zu meinen Abteilungsleiter Siegfried Mohrhof gegangen,
um ihm das Konzept vorzustellen. Er fand die Idee gut und hat sie unserem Chef Werner Höfer vorgestellt. Als der auch grünes Licht gab, konnten wir die Sendung realisieren. Das wäre heute nicht mehr möglich. Was ihnen auch Kritik einbrachte. Meinetwegen. Wir haben sehr viele Platten gehört und Konzerte besucht. Da haben wir uns die Künstler ausgesucht, die unseren Ansprüchen genügten. Es gab aber auch viele positive Reaktionen vom Publikum. Wenn das kein Erfolg gewesen wäre, hätten wir das nicht machen können. Über weite Strecken waren die Konzerte ausverkauft, noch bevor das Line up bekannt gegeben wurde. Es gab Musikstile wie die „Neue Deutsche Welle”, die passten nicht in das Konzept der Rockpalast Nächte. Diese wurden europaweit ausgestrahlt, da konnten wir keine lokalen deutschen Acts bringen. Die wurden in kleineren Produktionen vorgestellt. Gut, das ZDF hatte eine Reihe „Rock Pop In Concert”, wo schon mal ein Hard Rock Konzert, mit verschiedenen Acts, gezeigt wurde. Das machten wir nicht. Außerdem war das ZDF total abhängig von einer Agentur (Mama Concerts) Das lief auch nur 3 Jahre. Die Rocknächte in der Essener Grugahalle wurden von 1976-1985 ausgestrahlt, was war des Highlight? Wenn man ein Konzert herausnehmen sollte, wäre es das mit THE WHO und GRATEFUL DEAD (1981) THE WHO wollten wir schon länger veranstalten. Hier verdankten wir es dem glücklichen Umstand, dass die Band nicht auf Tour gehen wollte, aber ein neues Album promoten musste („Face Dances”) Da kam ihnen unser Rockpalast Gig mit der europaweiten Ausstrahlung gerade recht. Neben den Rocknächten, haben sie seit 1981 auch auf der Lorelei Open Air Konzerte veranstaltet. War das nicht ein großes Risiko? Was denkst du was eine Rocknacht kostete? Da waren 5.00.000 DM. Im Vergleich zu „großen” Unterhaltungs Shows recht günstig. Das Loreley Open Air verursachte ähnliche Kosten. Die Rocknächte liefen gut, aber eben nur 2 mal im Jahr. Viele Leute meinten, wir sollten das öfters veranstalten. Ich bin aber der Meinung, dass man ein Format auch „totsenden” kann. Deshalb kam die Idee im Sommer ein Open Air zu veranstalten. 1981 war unser erster Versuch auf der Lorelei. (mit THIN LIZZY als Headliner) Wir merkten, dass der Ort stimmte und alles von der Organisation möglich war. 1982 konnten wir dann live senden (dritte Programme), ein Top Programm mit z.B. BAP, Eric Burden und Rory Gallagher. Hier arbeiteten wir mit einem Veranstalter Blitz Music aus Düsseldorf, die sich die Rechte für Konzerte auf der Lorelei gesichert hatten. Der Deal sah vor, das erst alle Kosten aus den Einnahmen gedeckt werden mussten und dann 60/40 geteilt wurde. Dadurch konnten wir 100.000 Mark wieder in den Etat zurück fließen lassen. Heute würde so eine Veranstaltung das doppelte kosten. Leider konnte man den Erfolg nicht halten und 1985 wurde der Rockpalast eingestellt. 10 Jahre lief alles gut. 1985 entwickelte sich das Privat Fern-sehen und langsam fragte man auch bei „öffentlich rechtlichen” Sendern nach Einschaltquoten. Das spielte bei Rockpalast eigentlich keine Rolle. Dazu kam die Sendung „Formel 1”, die gut gemachte Musik Video Clips zeigte. Hier schien die Zukunft der Musik zu liegen. Leider waren wir 1985 nicht erfolgreich. Es gab dann eine Rocknacht im Oktober. die nur 1500 Zs. besuchten. Diese 3 Faktoren führten zum Ende. Peter hat dann 10 Jahre Spielfilme betreut, eine Serie und Jugendabende. 1990 gab es eine Neuauflage vom Rockpalast, namens „Rocklife”. 1993 hat der WDR beschlossen rund um die Uhr zu senden. Sie suchten günstiges Programm und Peter hat vorgeschlagen, die alten Rockpalast Sendungen am Wochenende zu wiederholen. Das wurde ein großer Erfolg. Dann gab es wieder Rockpalast und ist bis heute so geblieben (jetzt mit Peter Sommer anstelle von Peter Rüchel, der in Rente gegangen ist) Bis 2003 wirkte er noch mit, „Rock Am Ring” war seine letzte Produktion. Doch Peter genießt mitnichten seine Rente, sondern kümmert sich um die Produktion der Rockpalast DVD's, wo in loser Folge Rockpalast Konzerte aus der Vergangenheit auf DVD veröffentlicht werden (RAINBOW, ZZ TOP, RORY GALLAGER) Die Krönung ist jetzt das Rockpalast Buch.(siehe letzte Ausgabe) Eventuell wird es noch eine „richtige” Biographie von Peter geben. Jürgen Both Rock Times - Herausgeber Jürgen Both, Bonn Mit freundlicher Genehmigung von Jürgen Both | |||||||||||