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Eine eine Dekade in Rock56 Bands gaben sich während der ersten Serie des Rockpalast zwischen 1977 und 1986 in der Essener Grugahalle die Ehre. Es gab viele Highlights zu beklatschen, aber auch so manches Mal Anlaß, die Stirn in Falten zu legen. Jürgen Brück wirft für die RPS einen Blick zurück. 23. - 24.07.1977 "German Television proudly presents..." Diese Worte sind im Laufe der
Zeit das Markenzeichen des Rockpalast und seines langjährigen Moderators
Albrecht Metzger geworden. Der erste Künstler, der auf diese Weise
angekündigt wurde, war niemand Geringerer als Rory Gallagher. Und der Ire
spielte, was das Zeug hielt. Nach dem Konzert meinte er, dies sei sein bis
dahin bester Auftritt überhaupt gewesen. (In der Folgezeit sollte es noch
viele Musiker geben, die sich ähnlich begeistert äußerten). Bewaffnet mit
seiner stets etwas angegammelt wirkenden Stratocaster, brachte er die
Grugahalle zum Kochen. Doch das Gallagher-Konzert war mehr als nur ein
fulminanter Auftakt für die Rocknächte, es begründete auch eine jahrelange
Freundschaft zwischen dem Rockpalast-Team und dem Musiker. Und so sollte
Gallagher so etwas wie ein Stammgast im Rockpalast werden. 04.- 05.03.1978 Mother's Finest, Dickey Betts And Great Southern sowie Spirit bildeten
das Programm der zweiten Rocknacht. Dieser Abend bedeutete für Mother's
Finest den großen Durchbruch in Europa. Die Funk-Band aus den Vereinigten
Staaten legte einen dermaßen guten und energiegeladenen Auftritt hin, daß
sich am folgenden Montag die Plattenläden der Anfragen gar nicht mehr zu
erwehren wußten. Es hatte nur dieses einen Konzerts bedurft, bis mit "Baby
Love" ein neuer Feten-Klassiker gefunden worden war. 13. - 14.09.1978 Die Wartezeit bis zur nächsten Rocknacht dauerte nur ein halbes Jahr.
Mitte September 1978 ging man wieder aus Essen auf Sendung. Aber diesmal
war dennoch alles anders: Das Festival endete nicht erst am frühen Morgen,
sondern schon mitten in der Nacht und mündete in die Übertragung eines
Boxkampfes von Muhammad Ali. Und dennoch wurde auch dieses abgespeckte
Programm zu einem großen Ereignis. Peter Gabriel, der sich nicht allzu
lange vorher von Genesis getrennt hatte, hatte einen nicht unwesentlichen
Anteil am Gelingen dieser Nacht. In seinem Bemühen, sich vom Pomp
abzusetzen, den Genesis bis dato zelebriert hatten, gelang ihm ein sehr
schlichter, aber dafür umso intensiverer Auftritt. 21. - 22.04.1979 Die vierte Rocknacht geriet zu einem denkwürdigen Ereignis. Auf der
einen Seite gab es grandiose musikalische Darbietungen zu beklatschen,
andererseits war da der Auftritt von Patti Smith, die im Interview einen
persönlich ziemlich zerrütteten Eindruck hinterließ. So gelang es Alan
Bangs nicht, irgend etwas außer Klarinettentönen aus ihr
herauszuquetschen. Auf der Bühne jedoch brannte sie ein wahres Feuerwerk
ab und machte auch schnell klar, wer ihr Held des Abends war: "I'm very
proud to play here with Johnny Winter", betonte sie schon nach den ersten
Songs ihres Auftritts. Und so konnte man sie, wenn man gute Augen hatte,
auch während seines Konzerts im Publikum vor der Bühne abrocken sehen.
Eigentlich hatte Winter so ein richtig schön ruhiges Blues Konzert spielen
wollen. Aber manchmal kommt dann doch alles anders und ehe er sich's versah,
steckte er mitten in einem schweißtreibenden
Blues- und Rock'n'Roll-Set, der ihm aber sichtlich Spaß bereitete. Anders
ließen sich auch die diversen Zugaben, die er an diesem Abend gab, nur
schwer erklären. 06. - 07.10.1979 Auch ein halbes Jahr später bekam das Publikum teilweise schwerverdauliche Kost vorgesetzt. An diesem Abend zeichnete Mitch Ryder für so einige Irritationen verantwortlich. Dabei war zunächst wieder alles wie am Schnürchen gelaufen. Southside Johnny And The Asbury Jukes hatten den Abend mit einem prima Gig eingeläutet. Als dann Nils Lofgren auf die Bühne kam, gab es kein Halten mehr Der kleine Amerikaner bot seinem Publikum Gitarrenakrobatik in jeder Hinsicht. Zu diesem Zweck hatte er auf der Bühne ein Mini Trampolin installieren lassen, auf dem er mit größter Begeisterung herumturnte. Und so sah man immer wieder einen Salti schlagenden Gitarristen, der auch während seiner sportlichen Einlagen nicht einen falschen Ton fabrizierte. Dann schlug die große Stunde des Mitch Ryder, allerdings in vollkommen anderer Weise als erwartet. Kurz vor dem Konzert hatte es schon Tumulte in der Garderobe gegeben, und als der Manager den Streit schlichten wollte, flog ihm eine Gitarre um die Ohren denkbar schlechte Voraussetzungen für ein Konzert. Überhaupt schien sich Ryder an diesem Abend in der Rolle des Monsters zu gefallen. So machte er im Interview vor dem Konzert unmißverständlich deutlich, was ihn das Publikum da draußen so alles könne. Die Stimmung war nun ein für allemal hin, und so geriet auch das Konzert zu einer seltsamen Angelegenheit. Mitch Ryder gab sich arrogant, und zwischen ihm und seiner Band schien eine unsichtbare Mauer zu stehen. Daß die Geschichte dennoch gut ausging, nämlich mit einem hochklassigen Gig, bemerkten die meisten Zuschauer erst viel später - bei der Aufzeichnung der Höhepunkte am nächsten Tag. 19.- 20.04.1980
Die sechste Rocknacht sollte zum Triumphzug für eine bis dato in Europa
unbekannte texanische Formation werden -die Rede ist von ZZ Top. Als um
vier Uhr nachts die Fanfare ertönte, die damals jedes Konzert der Band
einleitete, wußte noch niemand so recht, was ihn erwartete. Doch kurz
darauf brachen die drei Texaner über die Grugahalle herein und lieferten
einen Bluesrock-Set ab, der den Zuschauern in den Ohren klingelte. Alles
an dieser Band wirkte imponierend: die langen Bärte, Billy Gibbons' Stimme
und nicht zuletzt die Energie, die das Trio auf die Bühne brachte (das
Konzert ist auf CD unter dem Titel WONDERFUL LEGS zu erhalten - aber fragt
nicht bei eurem Plattenhändler an der Ecke, der Gang über einen Flohmarkt
verspricht mehr Erfolg). 18.- 19.10.1980 Die siebte Rocknacht fand zu einem Zeitpunkt statt, als die dort
auftretenden Police noch den zweifelhaften Ruf einer besseren Teenie-Band
genossen. Aus der Kombination dieser Formation insbesondere mit den
nachher auftretenden Jack Bruce And Friends bezog das Konzert einen guten
Teil seiner Spannung. 28.- 29.03.1981 Mit großen Glanzlichtern ging es auch danach weiter. Die achte Rocknacht war die einzige, bei der nur zwei Gruppen auftraten, die es aber dafür in sich hatten: The Who und The Grateful Dead sind sicherlich zwei Bands, wie sie verschiedener kaum sein könnten. Aber dennoch, oder vielleicht auch trotzdem, wurde dieser Abend ein großer Erfolg. The Who räumten als Opener kräftig ab. Die Band präsentierte sich in bester Spiellaune und bot so etwas wie ein Best Of-Programm. Pete Townshend ließ die Arme immer wieder in der für ihn typischen Manier wie Windmühlenflügel über die Gitarrensaiten kreisen, Roger Daltrey wirbelte mit seinem Mikrophon, daß es einem um die anderen Bandenmitglieder angst und bange werden konnte, und John Entwhistle schien das ganze überhaupt nichts anzugehen: The Who, wie man sie kennt und schätzt. Die Grateful Dead waren mit ihrer ganzen Family angereist, in ihrem Troß befanden sich also auch jede Menge Artisten und Gaukler. Im Rockpalast sollten sie einen ausufernden Set spielen, der in zwei Teilen dargeboten wurde. In der Pause waren es dann die Gaukler und Feuerschlucker, die das Publikum unterhielten. insgesamt dauerte das Spektakel gut vier Stunden, was für Dead-Verhältnisse noch recht kurz ist, doch auch so waren die Zuschauer am Ende ziemlich mitgenommen. 17. - 18.10.1981 Bei der neunten Rocknacht waren wieder vier Bands am Start. Es sollten
vor allem zwei Auftritte sein, die im Verlauf des Abends für Furore
sorgten. Als dritte Band kamen Black Uhuru aus Jamaika auf die Bühne. Sie
hatten mit Robbie Shakespeare (Bass) und Sly Dunbar (Schlagzeug) eine der
besten Rhythmus-Sektionen mitgebracht, die man sich wünschen kann. Nach
dem Konzert waren sich die Fans und Kritiker einig: Das war Reggae, wie
man ihn hören wollte. Moderator Alan Bangs lief noch einige Zeit nach dem
Konzert mehrere Male tanzend durchs Bild. 03. - 04.04.1982 Schneller, als es den meisten vorkam, war es Zeit für ein kleines
Jubiläum geworden. Die zehnte Rocknacht sollte gefeiert werden. Hierfür
hatte man sich drei Acts ausgesucht: Rick James, Van Morrison und die
Kinks. 16. - 17.10.1982 Die nächste Rocknacht zeigte wieder einmal, welche Chance ein Auftritt
in diesem Rahmen für einige Musiker darstellte. Kid Creole And The
Coconuts hieß die Band, die diesmal den Durchbruch schaffen sollte. Der
Rockpalast diente als Auftakt für eine längere Tour. Nach dem Auftritt
mußten die Konzerte von Kid Creole in viermal größere Hallen verlegt
werden, so groß war die Nachfrage nach Tickets geworden. Es war auch mehr
als 'nur' ein Konzert, was Kid Creole an diesem Abend zu bieten hatte: Die
Band spielte eine perfekt durchorganisierte Show, die an jeder Stelle
stimmte. Dabei war es gar nicht einfach, die Grugahalle in dieser Nacht
auf seine Seite zu bekommen. Kid Creole spielte als letzte von drei Bands,
und sowohl Little Steven And The Disciples Of Soul, die die Show eröffnet
hatten, als auch Gianna Nannini hatten mit famosen Konzerten die Meßlatte
hoch angelegt. 17. - 18.04.1983 Das Frühjahr 1983 sah wieder einmal eines dieser denkwürdigen
Rockpalast Festivals, bei deren Planung das WDR Team viel Mut zum Risiko
bewiesen hatte. Einzig mit dem Opener, Dexys Midnight Runners, bewegte es
sich auf sicherem Boden. Mit "Come On Eileen" hatte die Band einen
Megaseller zu verzeichnen und konnte fest mit der Begeisterung des
Publikums rechnen. Tatsächlich versetzte ihr grundsolider Set die Halle in
Hochstimmung. 15. - 16.10.1983 Mit Bryan Adams, Elvis Costello And The Attractions und Cheap Trick
ging es dann im Herbst des Jahres in die dreizehnte Runde. Der Kanadier
Bryan Adams war von seinem Auftritt selbst dermaßen begeistert, daß er
sich dem Rockpalast brieflich sofort wieder für die nächste Veranstaltung
zur Verfügung stellte. Und man soll es nicht glauben: Das, was Adams anno
1983 zu bieten hatte, war die perfekte Rock-Show. Zu diesem Zeitpunkt war
er noch nicht vom vielversprechenden Stadion-Rocker zum Pop-Bürschchen
mutiert. 13. - 14.10.1984 Auch die vierzehnte Rocknacht begann mit einer Band, die zum Zeitpunkt
der Ausstrahlung gerade schwer angesagt war: Huey Lewis And The News. Die
Band hatte gerade eine Reihe von Charterfolgen zu verzeichnen, und so fiel
es ihr nicht schwer, die nötige Stimmung herzustellen. Mit Chalice gestattete sich der Rockpalast mal wieder einen Ausflug in
den Reggae, und auch hier zeigte sich, daß derartige 'Experimente'
durchaus eine Bereicherung der Rocknächte darstellen konnten. Die auf
Chalice folgenden Level 42 hatten den Höhepunkt ihrer Karriere eher
überschritten, als sie in der Grugahalle auftraten. Und irgendwie wirkte
ihr Konzert auch seltsam farblos. 30. - 3 1.03.1985
Mit dieser Frühjahrsrocknacht deutete sich langsam an, daß dem
Rockpalast die Puste ausging. Erstmals war die Übertragung eines Konzerts
aus den USA mit ins Programm aufgenommen worden. Schaffte es der
Rockpalast nicht mehr, selbst genügend gute Bands zu verpflichten? Die
Übertragung aus Syracuse jedenfalls sollte eigentlich den abschließenden
Höhepunkt dieser Rocknacht darstellen: The Artist Afterwords Known As
TAFKAP Prince, wurde die Ehre zuteil, live auf eine Großleinwand in der
Grugahalle projiziert zu werden. So gut Prince sich auch präsentierte
-diesen Programmpunkt hätte man sich sparen können. Denn der vorhergehende
Live-Teil konnte schon genug überzeugen: Wolf Maahn und die Deserteure
spielten, was das Zeug hielt, und durften wohl als die positive
Überraschung des Abends gelten. Ihnen folgten Paul Young And The Royal
Family, die sich den eher ruhigen Tönen verschrieben hatten. Allerdings
wirkte das Konzert über weite Strecken etwas langweilig. 19.- 20.10.1985 Auch dem Programm der 16. und somit vorletzten Rocknacht der ersten Serie merkte man an, daß diese Sendung in den letzten Zügen lag. The Armoury Show, Squeeze, die Rodgau Monotones und Ruben Blades Y Seis Del Solar sollten die Nacht zum Tag machen. Doch so recht wollte es keiner der Bands gelingen, den schalen Beigeschmack zu vertreiben. Ein wenig Stimmung kam lediglich bei den deutschen Vertretern der Zunft, den Rodgau Monotones auf, und wenn eine Spaß-Rock-Kombo die einzige ist, die Akzente zu setzen vermag, verheißt das für die Zukunft nicht viel Gutes. 15. - 16.03.1986 Und so kam es, wie es kommen mußte: In dieser Nacht flimmerte die vorerst letzte Rocknacht über die Bildschirme. Den Auftakt des Festivals in der Grugahalle bestritten die Mitte der 80er Jahre schwer angesagten Big Country (ihr Konzert wurde im Fernsehen als letztes übertragen, da die Veranstaltung schon vor Sendebeginn begonnen hatte). Ihnen folgte ein Auftritt von Jackson Browne. Hier wurden noch einmal Erinnerungen an die gute alte Zeit wach, wuchs Herr Browne doch an diesem Abend über sich selbst hinaus. Den Kölschrockern von BAP war es vorbehalten, zehn Jahre Rockmusikgeschichte zu beenden. Auch Niedecken und Co. zogen bei ihrem gut zweistündigen Auftritt alle Register ihres Könnens und sorgten so für den würdigen Abschluß einer Sendereihe, die schon lange zum Kult geworden war, aber leider nicht mehr ins Konzept der WDR Oberen paßte, als die Einschaltquoten zurückgingen. Das Musikvideo hatte die erste Runde im Kampf um die Gunst der Zuschauer und somit auch der Verantwortlichen gewonnen. Wolfgang Niedecken beendete das Konzert mit einem flammenden Plädoyer für den Rockpalast und dem Ausruf: "Rockpalast darf nicht sterben!" Jetzt, mehr als zehn Jahre später, wissen wir, daß der Rockpalast gar nicht gestorben ist, sondern nur einen Dornröschenschlaf gehalten hat. Im dritten Teil unserer Reihe wollen wir uns die zweite Serie der Rockpalast-Festivals etwas näher ansehen und den Fragen nachgehen, was sich konzeptionell verändert hat und ob der Rockpalast auch zur Jahrtausendwende noch in die Medienlandschaft paßt. Eine kurze Chronik der Rocknächte - Tabelle als JPG 97 Kb © Jürgen Brück Rock & Pop Sammlung November 1997 |