Rockpalast Archiv

Spotlight

Rocknachtrückblick - Spotlight - auf Sound & Musik Nr.5 März 1978

Mothers FinestRock 'n' Roll die ganze Nacht. Nun ist sie vorbei, die zweite Rocknachtdes WDR, und wieder einmal haben Peter Rüchel, Christian Wagner, Barbara Lücke und Wilhelm Lang voll zugeschlagen. Auch wenn die Gruppen unterschiedliche Resonanz erfuhren, einmal Mother's Finest, dann wieder Dicky Betts oder auch Randy California unter- oder überbewertet wurden - in der Gesamtresonanz kristallisierte sich eins heraus, die Jam Session zwischen Dicky Betts und Randy California war das Beste, was je bisher über deutsche Fernseher in Sachen Rock 'n Roll live ausgestrahlt wurde. Diese Jam Session aber setzte auch zugleich den Schlußpunkt nach einer Woche Hektik und Anstrengung, besonders auf Seiten der TV-Leute, die diesmal mehr als bisher mit Soundschwierigkeiten zu kämpfen hatten. Die Gruppen waren einfach nicht zufriedenzustellen, denn wenn ihnen der Sound in der Halle gefiel, mißfiel er ihnen im Ü - Wagen, und war er im Ü - Wagen gut, gefiel er ihnen in der Halle nicht. Dabei wurden beide Sounds getrennt gefahren, somit also auch komplett getrennt ausgesteuert. Möglicherweise haben hier die eigenen Ohren ihren Besitzern Streiche gespielt, indem sie einfach den Unterschied Ü Wagen / Fernsehbild, Halle / Räumlichkeit nicht verkrafteten. Bei den Fernsehleuten war es nicht viel anders , und so wurde bis nahezu zur letzten Minute immer noch was nachgedreht und eingestellt. Eingestellt auf die richtige Farbe nämlich, mußten in der letzten Minute auch noch die Verfolgerscheinwerfer, denn auf den Videocassetten der Probeaufnahmen zeigte sich, etwas mehr Wärme im Farbspektrum der Lichter täte schon Not. Alles geringe Probleme, die zur Routine der Rockpalastleute gehören, und über die man dort gar nicht spricht - man löst sie einfach.

Wirbel um ein Clavinet

Anders bei einem Problem der Mother's Finest. Hier war nicht so einfach eine Lösung zu finden. Michael Keck, der Keyboarder der Band, wollte plötzlich am späten Samstagnachmittag noch ein Hohner Clavinet kaufen gehen. Obwohl er ein eigenes D 6 auf der Bühne stehen hatte wollte er sich unbedingt ein neue kaufen. Guter Rat war teuer. Wer ist schon am späten Samstagnachmitta noch im Laden und wartet auf eine Kunden, der ein Clavinet kaufen will? Wir haben telefoniert und telefoniert, und als sich keine andere Möglichkeit ergab, doch noch eins vor dem Gig zu bekommen, habe wir mit Michael Keck einen Termin für montags bei Hohner in Köln (Verkaufsvertretung West) ausgemacht. Doch noch bevor es richtig in den Sonntag hinein ging, so mit rotgeräderten Augen um den 10-Uhrs-Früstückstisch, mit einem herrlich eingetrunkenen Dicky Betts auf der akustischen Gitarre, zu der auch Randy California hin und wieder griff, mußten die Mother's Finest schon wieder los. Mit Adressenaustausch und jede Menge hochheiliger Versprechen aber mußten wir beteuern, daß wir bei der nächsten Gelegenheit Michael Keck mit zu Hohner nehmen würden. Aber über Sound und Instrumente gab es noch einiges Interessantes zu berichten . Ich will jetzt nicht weiter darauf eingehen, daß Tasco in der Halle einen fantastischen Sound produziert, das haben die Tasco-Leute schon oft bewiesen. Interessanter war die Tatsache, daß bei diesen doch sehr amerikanisch orientierten Bands auch ein deutlicher Unterschied zur aktuellen Richtung auf der instrumentellen Seite festzustellen war. So spielten die Schlagzeuger von Dicky Betts und von Mother's Finest ausschließlich Slingerland - Drums, zumeist mit ölgefüllten Evans - Fellen bestückt die hierzulande noch allzuleicht als  &qout;nur" -Studio-Felle angesehen werden, und der Bassist der Mother's Finest spielte während des ganzen Gigs einen Framus-Bass, während er den wesentlich teurere Alembic-Bass unangerührt in der Bühnendekoration stehen ließ. Und noch eines. Was mir schon in Amerika aufgefallen war, und was man immer wieder feststellt, wenn man die Equipmentliste amerikanischer Keyboarder liest, nämlich, daß fast überall ein Oberheim-Synthi auftaucht, war auch hier wieder der Fall. Michael Keck hatte auch seinen Oberheim dabei. Nun, wenn er mit seinen Mutters Schönsten in nicht allzuferner Zukunft wieder hier unterwegs sein wird, werden wir uns darüber einmal ausführlicher unterhalten, und auch über seine Vorliebe für ein D 6. In der Zwischenzeit haben wir ein anderes Ereignis ins Haus stehen:

Die ZDF - Konkurrenz?

Am 31. März strahlt das ZDF eine drei-Stunden-Show aus, die sich als Konkurrenz zur Rocknacht versteht. Ob die Show auch so ein Mißgriff wird wie "Rock-Pop", muß noch dahingestellt bleiben, erst muß man mal sehen, was da über die Flimmerscheibe huschen soll. Eins ist jedoch jetzt schon klar. Eine Konkurrenz zur Rockpalast-Nacht kann und wird die Sendung nicht sein. Dafür fehlen ihr nämlich wichtige Kriterien. Zuerst einmal ist gar nichts live, das bedeutet, alles wurde schon aufgezeichnet, bevor es über den Sender gebracht wird. Man kann also nicht Zeuge eines Ereignisses sein wie etwa in Essen, und die Kameras berichten nicht aktuell, was passiert oder was nicht passiert. Ausgehen darf man auch davon, daß es eine Sendung wird, in denen es keine Pannen gibt, in denen nur Ausgewogenes zu sehen sein wird, denn der Zusammenschnitt wird mit Sicherheit alle Schwächen ausmerzen. Was dann übrig bleibt, ist Schönheitsrock in aufgezeichneter Live-Atmosphäre, aber ohne Leben, nicht live. Aktuelles aus der Konservendose. Das Programm ist weit gefächert. Es fängt an mit Kaberettrock Marke Lindenberg, von und mit Udo Lindenberg, dann weiter mit Novalis, die sich immer mehr zu Marktrennern entwickelnden Rocklyriker aus dem Norden, und dann letztlich die Puhdys mit Rock 'n Roll aus der DDR (weiß das übrigens Rechtsaußen Gerd Löwenthal???). Nun denn, es bleibt nichts anderes übrig, als abzuwarten und zu betrachten, oder auch nicht, was wir vorgesetzt bekommen.


Spotlight - auf Sound & Musik Nr.5 März 1978

Redaktion: Merlin W. Frank (verantwortlich)

Mitarbeiter an dieser Ausgabe:

Alan Bangs, Wolfgang Bongertz, Jarvis Cave, H.Christian, Gary Cooper, Werner Gottfried, Bernd Groll, Udo Hanten, Peter Hoffmann, Bruno Kaßel, Walter Lindenberg, Horst Pawlik, Nick Vincentz, Eckhard Ziedrich

Fotos: www.BrunoKassel.de


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